Ist der Immobilienmarkt etwa schon geimpft?

Momentan behaupten viele, die womöglich schon bald das Gegenteil behaupten werden, dass Corona dem deutschen Immobilienmarkt nichts anhaben könne. Sind Immobilien also sozusagen immun? 

 

Seit Monaten vergeht kaum ein Tag, an dem man nicht irgendwo lesen kann, dass die Immobilienpreise in Deutschland trotz Corona weiterhin nur eine Richtung kennen, nämlich steil bergauf. Auch der heutige Artikel auf "Das Investment", der unten verlinkt ist, bestätigt dieses Narrativ. Man könnte also meinen, es sind (zumindest aus Verkäufersicht) weiterhin goldene Zeiten am Immobilienmarkt. Addiert man jetzt noch die weit verbreitete Haltung, dass eine selbst genutzte Immobilie ein krisenfestes Investment sei, könnte man ganz einfach sagen: "Liebe Kaufwillige, kaufen Sie schnell irgendeine Immobilie, denn morgen ist sie schon wieder teurer. Und liebe Eigentümer, am besten warten Sie noch ein bisschen länger, denn der Preis geht ja mit der Zeit nur noch weiter hoch!" 

 

Gut, ein stereotyper Makler würde den Käufer anfeuern und beim Verkäufer Zweifel wecken wollen, ob die Preise bald nicht doch einbrechen können. Aber bleiben wir bei der momentan dominanten Strömung, dass der Immobilienmarkt praktisch immun gegen Corona sei und es daher voraussichtlich noch lange so weitergehen könne. Stimmt das so?

 

Ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Doch ich habe eine Vermutung, die in eine andere Richtung geht. Während die Umsätze bei Büro- und Einzelhandelsflächen bereits stark eingebrochen sind (in Düsseldorf in 2020 um  48,5% gegenüber 2019*) steigen die Preise bei Wohnimmobilien nach wie vor. Aus meiner Sicht liegt die Erklärung hierfür darin, dass die Erfahrungen des / der Lockdowns den emotionalen Wert einer eigenen Wohnung, am besten mit Garten, oder eines Hauses als sichere Burg noch erhöht haben. Und damit die Nachfrage. Gleichzeitig kamen, vermutlich durch die Infektionsangst der klassischen Verkäufer-Generation in den vergangenen 12 Monaten extrem wenige Immobilien auf einen hungrigen Markt. Es wurde praktisch nur verkauft, was trotz Corona "weg musste". Nach erfolgter Durchimpfung müssten meiner Einschätzung nach wieder deutlich mehr Häuser und Wohnungen angeboten werden. Zu einem Preiseinbruch wird dies aber eher nicht führen, denn die Nachfrage wird durch die aufgestauten Verkäufe kaum gedeckt werden können. Kurzfristig dürften die Preise also vermutlich nicht merklich sinken. Insofern hat Corona tatsächlich die Statik des Wohnimmobilien-Marktes bislang nicht verändert. Geht es also für immer so weiter?

 

Auch das ist möglich. Angesichts der sich abzeichnenden Auswirkungen der Corona-Pandemie bzw. der Maßnahmen, die dazu dienen sollten, diese einzudämmen, erscheint es nur eben nicht besonders logisch. Der Dauerlockdown brachte einigen Branchen ein faktisches Berufsverbot, während die Kosten wie z.B. Ladenmiete oder die Pacht eines Gastrobetriebes weiter liefen. Wie lange funktioniert so etwas?

Viele Menschen befinden sich in Kurzarbeit oder im Homeoffice. Ob alle diese Menschen wieder ins Büro oder ihren Betrieb zurückkehren werden, erscheint auch vor dem Hintergrund einer zu erwartenden Insolvenzwelle** mehr als fraglich. Für NRW werden dieses Jahr laut Aachener Zeitung mindestens doppelt so viele Firmenpleiten erwartet wie im letzten Jahr. Auch die Langzeitarbeitslosigkeit steigt gerade***

 

Momentan ist es ja so, dass angesichts historisch niedriger Kreditzinsen die Nachfrage nach Wohnimmobilien in Düsseldorf und anderen sogenannten A-Standorten das Angebot deutlich übersteigt. Werden nun infolge von Firmeninsolvenzen oder -schieflagen Arbeitsplätze abgebaut, fehlt den Betroffenen die Bonität, um eine neue Immobilie zu erwerben und sie fallen als Nachfrager aus. Haben sie bereits eine relativ teure Immobilie kreditfinanziert, könnten sie in Zahlungsschwierigkeiten geraten und gezwungen sein, zu verkaufen. Auch die Selbständigen und Unternehmer, die häufig auch als Teil ihrer Altersvorsorge Immobilien besitzen, könnten in Folge der Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf breiterer Front Immobilien abstoßen. Beides zusammen, also ein signifikant erhöhtes Angebot bei einem wirtschaftlich erzwungenen Rückgang der Nachfrage muss sich eigentlich negativ auf die Preisentwicklung auswirken. 

 

Es ist also nicht sicher, dass die Preise unentwegt weiter steigen und deshalb hier eine ganz persönliche Meinung:

Wenn Sie eine Wohnimmobilie verkaufen möchten, tun Sie es bald.

Wenn Sie eine Immobilie zur Selbstnutzung kaufen möchten und nicht gerade auf der Straße sitzen,

warten Sie vielleicht besser noch eine Weile damit. Das ist aber natürlich nur meine Einschätzung. 

 

Und wenn Sie bereits in einer selbst genutzten Immobilie wohnen, in der Sie sich wohl fühlen und die Sie bezahlen können, tun Sie einfach gar nichts. Denn noch höhere oder plötzlich niedrigere Preise betreffen Sie ohnehin nur, wenn Sie ausziehen. 

 

Artikel zu Immobilienpreisen auf "Das Investment.com" 

 *Artikel zum Einbruch des Büroflächenumsatzes auf NRZ.de 

**Artikel zu Firmeninsolvenzen in NRW Aachener Zeitung 

***Artikel zu Langzeitarbeitslosigkeit auf rponline.de 

 

Bild von Syaibatul Hamdi auf Pixabay.com